Montag, 5. April 2010

Ein verletztes Tier


Miftis ist verletzt und die Wunden sitzen tief. Es geht um die Mutter, die sich aus dem Leben geholt hat, es geht um den Vater, der Mifti nicht wirklich wahrnimmt. Es geht um Freunde, die keine sind, sonst würden sie sie nicht mit Drogen versorgen.

Es geht um - Hallo, Herr Guido, jetzt mal schön zuhören!- eine dekadente Gesellschaft. Ob nun spätrömisch oder nicht- alles egal. Es geht um nicht vorhandene Werte, es geht um Konsum, den schönen Schein und um NICHT ARBEITEN.

Da leben 3 junge Menschen in einer Wohnung, verunstalten sie täglich und halten sich eine Putzfrau, die ihre Exkremente beseitigt. Wie lange hält eine Putzfrau das eigentlich aus?

Ich hab das Buch ausgelesen. Endlich.
Ich werde es nicht noch einmal lesen.
Ich bin froh, dass es den Buchpreis nicht bekommen hat.



Aber vielleicht war so ein Buch schon lange überfällig?

50 Seiten weiter

Ich stand am Herd, beaufsichtigte die Kartoffeln und dachte über meinen Beruf nach. Was würde ich mit so einer wie Mifti tun? Zwangseinweisung? Welcher Amtsarzt würde dem wohl zustimmen? Ich war ratlos und deprimiert und dann kam ich zu dem Schluss, dass ich sie wohl fallen lassen würde, weil ich gar nichts, aber auch rein gar nichts mit ihr und diesem unendlichen Seelentrip anfangen konnte.

Und dann: was war das eigentlich für eine Gesellschaft, die zuließ, das sich eine 16jährige täglich zudröhnte, dass sie nichts Vernünftiges aß, dass sie nicht zur Schule ging. Warum kümmerte sich eigentlich keiner wirklich darum?

Weil alle mit Mifti überfordert waren, weil sie eine Herausforderung darstellte, der niemand gewachsen war?
Weil hier alle die Augen schlossen, denn es gibt wohl viele Miftis. Und ich bin wahrscheinlich auch eine Augenschließerin und denke: Was geht mich fremdes Elend an.

Wie könnte man helfen? Mifti ist ein einziger Schrei nach Hilfe.
Ich beschloss, das Buch doch auszulesen.

Über Hundert

Nachdem ich mich bis Seite 100 durchgekämpft hatte, begann ich, mit dem Wortschatz von Mifti zu denken und ich dachte: Was für eine gequirlte Scheiße! Was für ein verfickter Mist! Und wieder wollte ich das Buch in den Müll werfen.
Und ich dachte: wie war man eigentlich darauf gekommen, das Ding für den Leipziger Buchpreis zu nominieren? (Wieviel Kohle hat der Alte von Helene dafür hin geblättert?)